Sechs bekannte Großauheimer

Mathilde Hain: die zweite Professorin Hessens

Jean Weiss: der Radsportler

Dr. Karl Kihn: der Spessartvater

August Gaul: der Bildhauer der Moderne

August Peukert: ein vielseitiger Maler und Glasgestalter

Leopoldo Richter: ein berühmter Kolumbianer

 

Wer schon einmal mit dem Heimat- und Geschichtsverein Großauheim eine Altstadtführung erlebt hat, kennt das Geburtshaus von Mathilde Hain in der Hintergasse 20. Hain wurde 1901 als Bauerntochter von Ernst und Mina Hain geboren. Eine Ausbildung konnte sie, wie damals üblich, nicht zu Hause machen sondern kam als junges Mädchen nach Eichfeld um hier ein bezahlbares Studium zu absolvieren. Sie unterrichtete zunächst als Lehrerin an der Großauheimer Schwesternschule St. Josef und schloss danach ein Germanistikstudium in Frankfurt mit Promotion ab. Mathilde Hain wurde 1932 an der Uni Frankfurt bei Franz Schultz in Germanistik mit einer Dissertation Das Wesen des frühexpressionistischen Dramas promoviert. 1934 legte sie das Staatsexamen in Germanistik, Anglistik und Philosophie ab. Sie wagte sich an eine wissenschaftliche Karriere in Volkskunde, ging nicht wie üblich in den Schuldienst, sondern forschte beim Volkskundler Julius Schiwtering. Sie widmete sich auf diesem Gebiet dem ländlichen Kultur- und Trachtenwesen. An der Berliner Universität wurde ihr ein  Forschungsauftrag, aufgrund ihrer Arbeit in Feldforschung im Zusammenhang zwischen Gemeinschaft und Tracht, erteilt. Nazis in ihrer Frauenfeindlichkeit machten ihr das Leben sehr schwer,  verhinderten ihre Habilitation immer und setzten gegen den Entschluss der Universität immer wieder Männer ein. Kurz vor Kriegsende, im Februar 1945, habilitierte sich Hain an der Uni Berlin. Nach ihrer vom Reichserziehungsministerium  geförderten Habilitation, Untersuchungen zur Volkssprache an einem oberhessischen Dorf, unterrichtete sie wieder an der  Universität Frankfurt. Dort leitete sie von 1953 bis 1968 das Institut für Deutsche Volkskunde zunächst als apl. Professorin mit Diätdozentur, ab 1962 als wissenschaftliche Rätin und Professorin.

Sie forschte, lehrte und schrieb über Bräuche, Volkserzählungen, Volksfrömmigkeit und Sagen. Hain publizierte mehrere Bücher zur deutschen Volks- und Sprachkunde. 1956 gab sie zum 1150jährigen Jubiläum die erste Großauheimer Ortsgeschichte heraus. 1983 starb Mathilde Hain in Bad Soden im Taunus und wurde auf dem Waldfriedhof in Großauheim bestattet.

Hessische Professorinnen

  1. Hedwig Dohm (1902)
    • Fachgebiet: Literaturwissenschaft
    • Universität: Universität Gießen
    • Anmerkungen: Eine der ersten Professorinnen in Deutschland, setzte sich für Frauenrechte ein.
  1. Mathilde Hain (1922)
    • Fachgebiet: Völkerkunde
    • Universität: Universität Frankfurt am Main
    • Anmerkungen: Erste Professorin für Völkerkunde in Hessen.
  1. Hedwig Kettler (1921)
    • Fachgebiet: Biologie
    • Universität: Universität Frankfurt am Main
    • Anmerkungen: Engagierte sich in der biologischen Forschung.
  1. Grete Hermann (1921)
    • Fachgebiet: Mathematik und Philosophie
    • Universität: Universität Gießen
    • Anmerkungen: Arbeite in der Mathematik und Philosophie, bekannt für ihre Beiträge zur Wissenschaftstheorie.
  1. Elisabeth Kauffmann (1931)
    • Fachgebiet: Pädagogik
    • Universität: Universität Frankfurt am Main
    • Anmerkungen: Pionierarbeit in der Lehrerbildung und -forschung.
  1. Hedwig Reichel (1934)
    • Fachgebiet: Literaturwissenschaft
    • Universität: Universität Frankfurt am Main
    • Anmerkungen: Engagierte sich in der feministischen Literaturkritik.

 

 

Ein über die Grenzen Großauheims hinaus bekannter Künstler, ist der Tierbildhauer August Gaul. Geboren 1869 als Sohn des Steinmetzes Philipp Gaul und dessen Ehefrau Katharina in der Haggasse 12a. Die meisten Großauheimer kennen August Gaul, denn seine Tierplastiken haben eine eigene Ausstellung im Großauheimer Museum, am Pfortenwingert. Seine Löwin bildet das Glanzstück dieser Ausstellung. Die Pinquingruppe ziert heute den Brunnen im Park vor dem neuerrichteten Pflegeheim an der Hauptstraße und ganz besonders waren seine Entchen, die sich auf dem Rochusplatz befanden, den Auheimern ans Herz gewachsen. Seine Kindheit und Jugend verlebte August Gaul in dem heute nicht mehr vorhandenen Vorgänger des Gasthauses Ratskeller Krotzenburger Straße 6. An der Hanauer Zeichenakademie wurde Gaul zum Ziseleur und Modelleur ausgebildet. 1888 ging er schon als Jugendlicher nach Berlin und dort zur kaiserlichen Zeit, traf seine Art der Tierbildhauerei, zwischen natürlicher Darstellung und Abstraktion, den damaligen Modegeschmack. Er wurde der Bildhauer des Kaisers; wenn ein dekorativer Löwe unter des Kaisers Ross lag, dann konnte man davon ausgehen, dass er von August Gaul war. Außerdem gestaltete er ausdrucksscharf und in die Zukunft weisend den menschlichen Körper, schuf Zeichnungen für Graphikmappen und Buchillustrationen. Gaul gilt als der erste moderne Bildhauer in Deutschland und einziger deutscher Tierplastiker von Rang. Weggefährte waren in Berlin u.a. Heinrich Zille und Max Liebermann. Im Jahre 1921 starb August Gaul und wurde in Berlin-Dahlem beigesetzt. Seit 1969 ist die höchste kulturelle Auszeichnung die Ehrenplakette der Stadt Großauheim nach ihm benannt; sie wurde 1974 von der Stadt Hanau übernommen.

 

 

Kehren wir wieder in die Hintergasse zurück. Gegenüber dem Geburtshaus von Mathilde Hain befindet sich das Geburtshaus von August Peukert in der Hintergasse 23. 1912, noch in der Kaiserzeit, wurde August Peukert als Sohn des Wagnermeisters Emil Peukert und seiner Frau Elise geboren. Nach seinem Studium an der Zeichenakademie und der Zeichenlehrertätigkeit an der Mädchenrealschule St. Josef in Großauheim, wirkte August Peukert als freier Graphiker und Maler. Sein Atelier befand sich anfangs noch in seinem Geburtshaus, bis er 1962 seinen Wirkungskreis in die Goethestraße 20 verlegte. Besonders wurden seine Graphiken, Kohlezeichnungen und Gemälde von Landschaften, Stillleben, Porträts, Arbeitsszenen und christliche Motive geschätzt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich sein Stil von realistisch über lyrisch impressionistisch zu expressionistischer Art und zeigt auch abstrahierende Züge. Im 2. Weltkrieg war er in Norwegen stationiert.  Danach begann er sich sehr stark der Glasmalerei und der Gestaltung von Farbglasfenster zu widmen. Viele Kirchen, Schulen und Krankenhäuser in und um Großauheim, Hanau bis nach Fulda hat er ausgestattet. Farbenfrohe Mosaiken und Sgraffis an und in Großauheimer Häusern und Gebäuden wurden von ihm geschaffen. Im Museum am Pfortenwingert, sind seine Werke in einer eigenen Ausstellung zu sehen. Im Jahre 1986 starb August Peukert und wurde auf dem Waldfriedhof begraben. 

 

 

Ein bedeutender Großauheimer, zwar nicht von Großauheim stammend, war Dr. Karl Kihn. 1854 wurde er als Sohn eines Mühlenbesitzers in Michelbach geboren. Nach seinem Studium in Würzburg kam er 1880 als erster studierter Arzt nach Großauheim. Vor ihm gab es im Ort keinen Arzt; die Kranken damals mussten zu einem „Armenarzt“ nach Hanau oder Steinheim gehen.  Der junge Karl Kihn heiratete die Tochter des Bürgermeisters Kronenberger, Hermine. Dieser schenkte dem jungen Paar das schöne Haus in der Taubengasse 6. Auf dessen Giebel man heute noch eingeschnitzt das „K und K“ sehen kann. Dank der Bismark‘schen Sozialreform konnte der junge Arzt von seinem Beruf leben. Er war am Ort sehr beliebt. Seine eigentliche Berühmtheit erhielt er als Spessartvater und –forscher. Er ließ Wanderwege anlegen, um der dramatischen Armut der Bevölkerung in Mömbris, Laufen und anderen Spessartdörfer beizukommen. Diese ermöglichten den armen Wanderarbeiter halbwegs sicher zur aufkeimenden Industrie nach Großauheim und Hanau zu kommen. Außerdem waren er und sein Vater maßgeblich an dem Bau der „Bembel“ der Spessartbahn beteiligt. Unermüdlich schrieb er eine Menge Wanderführer u.a. „Führer durchs Freigericht und seine Umgebung“ und förderte damit auch den Tourismus. 1876 regte er die Gründung des Freigerichter Bundes an; eines Vorläufer des heutigen Spessartbundes. 1807 zog Karl Kihn nach Aschaffenburg und stand einem weiteren Vorgänger, dem Verein der Spessartfreunde Aschaffenburg, von 1900 – 1924 vor. Ein unermüdlicher Mann in Sachen „Wanderfreunde“. Nach seinem Tod 1934 wurde er auf dem Großauheimer Alten Friedhof bestattet. Auf seinem Grabmal ist ein Relief des „Barmherzigen Samariters“ zu sehen. Um dieses Relief vor dem Verfall zu retten, haben die Wanderfreunde Großauheim, mit Unterstützung des Heimat- und Geschichtsvereins Großauheim angeregt, dies zu restaurieren; was auch bereits vorgenommen wird.     

   

 

Der berühmteste Sportler war einst der am 1.11.1890 in Großauheim geborene   „Jean“ Weiss  (heute mag es der Fußballer Marco Russ * 1985 sein.) Er war deutscher Radprofi von 1909 - 1927 Er war Bahnfahrer und fuhr in der Steher Meisterschaft mit. Dort gewann er die Auszeichnungen  Goldenes Rad von Erfurt  1912 und Goldenes Rad von Berlin 1922 und 1923. Er war befreundet mit Georg Opel, dort war er unter Vertrag. 

Als seine Sportkarriere beendet war, eröffnete er zunächst in der Wiesenstraße, später in der Hauptstraße eine mechanische Werkstatt. Er war gelernter Dreher und ein talentierter Mechaniker. Neben Fahrrädern und Nähmaschinen kamen bald die Autos an erster Stelle. Er starb 21.1.1978, sein Sohn und sein Enkel führten die Werkstatt und den Verkauf - lange spezialisiert auf Opel - bis in die 1990 Jahre fort.

 

Ein weiterer Künstler war Leopoldo Richter, der am 14.2. 1896 in der Auwanne geboren wurde. Sein Vater war Lithograf und arbeitete vermutlich in Steinheim bei Illert. Da seine Mutter krank wurde und bald starb,, übersiedelte der Vater mit seinen Kindern in den Schwarzwald, nach Lahr, wo Leopold ab dem 4. Lebensjahr aufwuchs, heiratete und eine Familie gründete. Er mußte als 18jähriger in den Ersten Weltkrieg, kam wegen einer schweren Handverletzung links 1916 nach Deutschland und arbeitete bis 1918 als Zeichner bei der Flugzeug-Fabrik Junkers. 1921-1924 besuchter er die technische Hochschule in Karslruhe und verließ 1932 seine Familie und Deutschland Richtung Brasilien, wo er bei der Jesuitischen Schule Porto Novo Nähe Itapiranga unterrichtete und unterkam. Pater Pio Bock bildete ihn zum Insektenforscher aus, er bekam Zeichenaufträge der Universität in Bogota, Kolumbien. Ab 1935 lebte er dort und spezialisierte sich auf winzige Insekten, die Buckelzikaden, die er untersuchte, sammelte, zeichnete und erforschte. 

„Ich habe zwanzig Jahre meines Lebens damit verbracht diese Insekten (Membracidae), die mich faszinierten, zu untersuchen [...] Ich habe mich sehr damit beschäftigt sie zu zeichnen und zu malen, sodass sie nicht nur wissenschaftlich exakt, sondern auch vom künstlerischen Sichtpunkt betrachtet, makellos sind, damit ich selbst von ihnen lernen konnte, und auch andere auf eine versteckte Schönheit aufmerksam zu machen die sonst niemand war nehmen würde.“

Leopoldo Richter

Nach seiner Berentung machte er aus seinem Interesse an der indigenen Bevölkerung des Amazonas und der kolumbianischen Küste eine eigene Kunst im Stil des Kubismus. Dies führte zu mehreren Kunstausstellungen, er arbeitete auch als Keramiker. Er starb 22. Februar 1984  in Bogotá im Alter von 88 Jahren.